immer mit "e.V." hinten dran,
locken dich auf eine falsche Fährte. Ich stelle mir eine Fifty-Tankstelle vor mit
weit ausragendem Vordach, roten Metallstützen, schrägen Glasscheiben, an einem Kreisel
oder einer grossen Einfallstrasse in Aachen. Als Gregor am Telefon sagt, dass der Pächter
im ersten Stock ein Zimmer hätte, wo ich übernachten könnte, denke ich an eine Gaststätte
mit Schlüsselbrett an der Theke. Ich komme in Aachen an und die Raststätte ist gar keine
Gaststätte und auch keine Tankstelle, sondern ein ehemaliger Gemüseladen. Innen befindet
sich gar nichts, nur ein staubiger Betonfussboden ohne Estrich. Es riecht nach Presslufthammer.
Massivste Stahlträger mit rostigen Fleischerhaken hängen aus den Deckenresten. In dem Staub
Kilometer von Koax-Kabeln, ein wackliges Tischchen mit ebensolchem Stuhl, PC und Tastatur.
Noch eine kleine Nirosta-Spüle mit dem üblichen, unabkömmlich dunkelgrauen Plastik-Rohr als
Skulptur sichtbar in den Raum drapiert. Arte Povera Chic oder ist nur das Geld ausgegangen?
Einer pappt einen 20.000 DM Beamer mit Transportbändern und schwarzem Gaffertape an die Decke.
Is' ja nich' mein Beamer. Jedenfalls beschliesse ich, sorgfältig darauf zu achten, an diesem
Abend nicht unter dem Gerät zu stehen. Eiskalt drin. Ich frage den Pächter, ob er einen warmen
Pullover für mich hätte. Sehe aus wie ein Skilehrer aus St. Johann.
Publikum trollt ein. Man kennt sich. Vom 40-jährigen Hippie über freiwillige Umschuler zu hippen
Designstudentinnen, Ökos, Avantgardoes mit Fluppe im Mund. Auch 'ne Oma mit Dutt und Brille kommt
rein. Muss sich verlaufen haben. Ist gestopft voll. Viel zu wenig IKEA-Klappstühle, selbst im
Schaufenster ist keine Backe mehr frei. Langsam wirds wärmer. Jeder Redner hat 10 Minuten, danach
wird ihm der Hahn abgedreht. Sie stehen in der messerscharfen Projektion des Beamers und tauchen
ins blaue Leuchten des Datenschirms. Auf den Gesichtern zeichnet der Kathodenstrahl eine Topographie
ferner Nähe. Der Informatiker tippt fehlerlos die schwierigsten URLs per Zufruf ein.
<HIT>-<ENTER>- und da ist die Seite.
Was auf den ersten Blick ungekonnt aussehen mag, ist jedoch Resultat grösster Präzision. Sprezzatura
- gekonnte Nachlässigkeit - würde Castiglione den Jungs von der Raststätte attestieren. Ein
superschneller ISDN-Anschluss lässt die Seiten förmlich auf den Bildschirm poppen. Die Projektion
ist ausgezeichnet, superscharfes Bild, klasse Farben, 3x5 Meter gross glüht die Wand in blauen
Pixeln. Eine einmalige Crew ist da am Werk. Man müsste sie auf Tournee schicken in die digitalen
Katakomben verräucherter Clubs: "Die Drei von der Raststätte."